Sonntag, 17. März 2013



17.3.2013: Pausentag in Be'er Sheva

Hab mein Zimmer im Motel in Be'er Sheva um 1 Nacht verlängert. Bin echt nicht in der Stimmung, ohne weitere Aufenthalte in der Zivilisation bis Jerusalem durchzuhatschen, jede Nacht im Zelt bzw unter freiem Himmel auf der Grünfläche von schwerbewaffneten Kibbutzniks.

Be'er Sheva ist zwar in den Ursprüngen alt. Aber in der Substanz eine neue Stadt von 1908, aus der Osmanenzeit.
Die Damen von der Rezeption des Motels schauen mich mit dem A... an und sind insgesamt sehr unfreundlich. Krasser Gegensatz dazu: Zwei Mädels vom Kunstmuseum. Die sind der Traum! Geben mir eine Karte an die Hand, erklären mir jeden wichtigen Punkt der Stadt, behandeln mich wie einen guten Freund. Eine davon ist selber ex-Shvilistin. Das Kunstmuseum war einmal eine Moschee, seit 20 Jahren gibt es Gerichtsstreitigkeiten um die Rückgabe.

Die Fußgängerzone ist ein Paradies für den hungrigen Falafelfreund. Allerdings ist das Ambiente ein bisserl "bröslig", wie hinterm Münchner Hauptbahnhof. Leute, die auf die Straße spucken, grantige Leute, Bettler, die nur das eine Wort "Shekel" rausbringen, im Gehen rauchende Teenager, viele etwas derbe Russinnen mit auberginrot hochtoupierten Haaren (die Schilder an vielen Geschäften sind zweisprachig: Hebräisch und Russisch!), dazu Eritreer in Joggingklamotten wie damals Ali G.

Hab heut ein dichtes Programm: Wäsche waschen, Handy-Guthaben für israelische SIM-Karte aufladen, Kirche finden (Sonntag), ausgerissenen Daypack reparieren lassen.

Es soll weiter kühl bleiben, um die 20 Grad. Aber schön, ohne Regen.






Auf dem Markt in den Markthallen geht es exakt so zu wie auf jedem anderen südländischen Markt: Exotische Gerüche, Gefeilsche, kritische Kunden. Bemerkenswert: Voll verschleierte Beduinenmuttis kaufen ungeniert ein bei orthodoxen Juden mit Kippa und Rauschebart. Weiß nicht, ob sowas in Deutschland denkbar wäre. Um den besten Deal zu ergattern, werden hier kulturelle Grenzen konsequent ignoriert, scheint mir.


Auf meiner gestern fachgerecht geflickten Blase läuft sich's wieder wie auf Wolken. Bin schon etwas stolz auf meine solide medizinische Handwerkskunst. Dafür, dass ich damals mit Pauken & Trompeten durch den Medizinertest gerasselt bin...

Ich frage eine Dame im Einkaufszentrum:
"Excuse me, is there a cash machine?"
Sie: "Ok... - do you see a pink dinosaur?"
Ich: "Ääh... No... Usually I don't see pink dinosaurs."
Sie (lachend): "It's "right behind the pink dinosaur" (und da stand tatsächlich ein rosa Dinosaurier für Kinder zum Draufrumreiten. :-)

Einige Quick Facts aus Wikipedia über Be'er Sheva (hebräisch: ‏באר שבע‎, arabisch:  ‏بئر السبع‎): Be'er Sheva gilt als „Hauptstadt der Wüste Negev“. Die heutige Stadt ist überwiegend erst wenige Jahrzehnte alt. Schnee kommt nur wenige Male pro Jahrhundert vor. Im Frühling treten hier angeblich häufig massive Staubstürme auf. In der Bibel wird Be'er Sheva mehrfach im Zusammenhang mit den Patriarchen Abraham und Isaak erwähnt. Im 1. Buch Mose wird geschildert, wie Abraham einen Bund mit Abimelech schließt und dadurch einen von ihm gegrabenen Brunnen ungestört nutzen kann (Gen 21,22 EU).

Ich hätte mir eigentlich gedacht, dass die Abrahamsquelle (Be'er Avraham) die größte Sehenswürdigkeit des Ortes wäre. Immerhin ist Abraham eine zentrale Figur für alle drei Buchreligionen. Allerdings wird das moderne Gebäude um die Quelle herum gerade als Besucherzentrum ausgebaut. Daher alles geschlossen. Zudem liegt die Quelle nicht einsehbar direkt an der Hauptverkehrsstraße, wo die Laster vorbeidonnern, direkt nebenan zu einer Domino's Pizza Filiale. Etwas ernüchternd alles.

Nach der Darstellung der Bibel lag später bei Be'er Sheva die Südgrenze des israelitischen Siedlungsgebiets (Ri 20,1 EU). Ausgrabungen ergaben, dass ab 1100 v.Chr. eine stark befestigte israelitische Stadt existierte. Auch in späteren Jahrhunderten war die Stadt besiedelt durch Truppen der Makkabäer, Römer und Byzantiner. Nach der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert verfiel die Stadt. Erst Maßnahmen der Türken führten um 1900 zu einer neuen Blüte.  







Weil die Hamasterroristen aus dem nahen Gazastreifen gerne hin & wieder mit Raketen auf Be'er Sheva feuern, hat die israelische Armee Iron Dome-Abfangraketen nahe der Stadt stationiert, die offenbar ihre Aufgabe recht gut erfüllen. Wie das im Ernstfall aussieht und wie gelassen die Einwohner bei einem scharfen Fliegeralarm reagieren, das veranschaulicht eindrucksvoll dieses Video:http://www.jewishpress.com/news/breaking-news/watch-12-iron-dome-interceptions-over-beer-sheva/2012/11/15/?src=ataglance

Eine katholische Kirche sollte es nach einer Online-Recherche der beiden wahnsinnig lieben Mädels vom Kunstmuseum in der Hagar-Straße geben (die eindeutig nach dem langjährigen Sänger von Van Halen, Sammy Hagar, benannt ist :-)). Allerdings finde ich dort leider rein gar nix, was halbwegs katholisch ausschaut. Also muss die heutige Sonntagsmesse leider ausfallen. Ich denke, ein Pilger darf das.

Insgesamt wirkt die Stadt recht schäbig. Allerdings wird an allen Ecken gebaut und ausgebessert. Die Stadt ist so angelegt, dass die Bevölkerungszahl noch erheblich wachsen kann. Das Potenzial - auch als künftiges Ziel oder Durchgangsziel für Touristen - sieht man ihr an. Sogar an einen "Abrahamsweg" in Anlehnung an den Camino de Santiago ist angeblich gedacht: http://www.israelnetz.com/gesellschaft/detailansicht/aktuell/pilgerpfad-auf-abrahams-spuren/

Ich empfinde die Stadt als äußerst willkommenen Aussenposten der Zivilisation in der Negevwüste. Ca. 110 km jeweils von Tel Aviv und von Jerusalem entfernt. Und mein letzter großer Boxenstop, bevor es in die Heilige Stadt weitergeht.

Dass im McDonalds ein Sicherheitsmensch an der Glastür sitzt, am Gürtel eine Knarre, daran kann man sich ja noch gewöhnen. Dass der McDonalds voller Soldaten mit Sturmgewehren ist, auch. (Gegen seine Gäste ist der Türhüter geradezu lächerlich unterbewaffnet).
Und jetzt das:
Auf dem Weg zurück ins Hostel in der Stadt: Ein Israeli in Zivil, T-Shirt, olivgrüne extraweite Hose, Kippa auf, geht hastig vorbei. Ich kann es kaum glauben, aber im hinteren Hosenbund steckt tatsächlich ein Colt! Zivilisten sind hier auch bewaffnet wie im Kibbutz?!

Hab mir morgen um 6:30 ein Taxi zurück nach Dvir bestellt. Dann wird weiter nach Jerusalem gehatscht, juchu!


Psalm 122 (121):

Ich freue mich, als man mir sagte: "Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern. Schon stehen wir vor Deinen Toren, Jerusalem. (...) Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit.

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