Sonntag, 10. März 2013

9.3.2013: Besuch des Berges der Seligpreisungen und der Kirchen in Kafarnaum. Weiterreise nach Tel Aviv

Mein Taxifahrer Yosef fährt mich zu Kirche und Kloster auf dem Berg der Seligpreisungen. Ich bin den gesamten Jesus Trail bis gestern schon brav zu Fuß gehatscht, daher gönne ich mir für die Abstecher abseits der Route eine Autofahrt. Zurück (bergab) nach Kafarnaum, das gestern leider schon geschlossen war, wird natürlich gehatscht.

Yosef meint auf dem Parkplatz zum Kloster: Die aktuelle Sicherheitslage Israels läßt sich am Faktor ablesen, wie voll die Touristen-Busparkplätze sind. Wenn das stimmt, dann wahr Israel wohl noch nie so sicher wie heute.

An der Cafeteria: Die Italiener bestellen mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit ihren doppio espresso in ihrer vertrauten Heimatsprache. Frankophone tun es ihnen nach. Die Damen und Herren an der Touristen-Snackbar im ortodoxen Kloster der Seligpreisungen müssen wahre Sprachgenies sein.




Hier gibt es sie noch: Reisegruppenleiter mit Fähnchen hoch in der Luft, Kommandos zu ihren Gruppen mit einheitlich bunten Mützen schreiend... Nix wie weg.

29 Grad - yesss! Wir nähern uns der optimalen Betriebstemperatur eines Christophers.

Kirche und Kloster der Seligpreisungen: Touristen von überallher: Neben einigen bleichen deutschen Mädels mit gebatikten Kopftüchern und unvorteilhaften Caprihosen sehr viele Asiaten mit lustigen, weit auslandenden, schneeweißen Sonnenschutzhüten oder gleich mit angesagtem Sonnenschirm, Amerikaner mit schneeweißen Tennisschuhen, Philippinos, Afrikaner (mit gänzlich anderem Temperament als man es von verhuschten Europäern kennt - die Schweigetafeln im Kloster werden als unverbindliche Anregung betrachtet), Tamilen oder Inder, die Damen zum Teil mit traditioneller bauchfreier Tracht - und viele davon wedeln keine Kameras mehr wie damals zu meiner Zeit, sondern halten stolz ihr klobiges iPad in die Landschaft.




Wenn man all die Leute (sicher auch irgendwie Pilger - Buspilger halt) aus allen Teilen der Welt sieht, dann merkt man sehr deutlich, wo das lebendige Herz unserer Kirche künftig schlagen wird. Höchstwahrscheinlich nicht mehr in Europa.

Die afrikanischen Reisegruppen sind der Wahnsinn. Strahlen einen unglaublichen Spaß aus. Und rennen bei diesen "arktischen" Temperaturen mit Daunenparkas und dicken Wollmützen rum. Eine Schau!

Wohltuender Kontrast zum Touristengeschiebe: Ich nehme spontan an einer Open-Air-Messe einer US-Reisegruppe teil. Sollte man jemals in die Verlegenheit kommen, in der Gegend um den nördlichen See Genesareth die Sonntagsmesse zu verpassen, einfach rübergehen nach Kafarnaum, Tabgha oder auf den Berg der Seligpreisungen: Dort stehen in den Klostergärten dicht an dicht überdachte Gottesdienst-Areas, an denen zu jeder Minute mindestens ca 3 Messen simultan in allen denkbaren Sprachen stattfinden. Keine Überraschung, dass hier auf dem Berg der Seligpreisungen als Lesung natürlich die Bergpredigt drankommt - x-mal am Tag. Mehr Gebete pro Quadratmeter dürfte es nur im Vatikan geben.





Sehr bewegend, der Pfarrer der US-Gemeinde, der hier zelebriert. Die Predigt amitypisch ohne abzulesen, hochprofessionell, direkte Kontaktaufnahme mit dem Volk, großartig. Die können das. Langeweile kommt da nicht auf.

"Selig sind die Frieden stiften." Hat mich sehr angesprochen. In einem Land, in dem seit Jahrtausenden um jeden Quadratmeter erbittert gekämpft und gemordet wurde.

Heute ist eine Zwangspause, weil wegen Shabbes keine Busse fahren. Und das hat dazu geführt, dass ich hier einen wohltuenden Austag nehmen kann, ohne Zeitdruck, mit viel Besinnung, ohne erforderliche Kilometerleistung. Merke, wie wohltuend das ist. Lustig: Um dem Arbeitstrott zu entfliehen, nehme ich mir eine Auszeit, um zu Pilgern. Um dem Pilger-Trott zu entfliehen, nehme ich mir den Shabbes frei. Urlaub im Urlaub und vom Urlaub - quasi.

Schulterschmerzen und Muskelkater an den Schultern. Offenbar immer noch nicht die richtige Trageweise des Rucksacks herausgefunden. Wenn alles korrekt wäre, würde ich 75% des Gewichts mit dem Hüftgurt tragen, dann dürfte ich auch an der Schulter keine Probleme haben. Das scheint nicht ganz zu klappen.





Gestern in Tabgha hab ich ein Flascherl Jordanwasser gekauft für die Taufe der kleinen Cecilia Schoeppe, die mit 2 Tagen einen echten Neuzugang auf der Welt repräsentiert. Wenn Du wüßtest, kleine Cecilia, was sich der alte Onkel Chris für einen Wolf gelatscht hat für Dein standesgemäßes Taufwasser.

Habe zusätzlich in der Kirche der Brotvermehrung etwas Weihwasser aus dem Kessel in das kleine Jordanflascherl abgefüllt. Wenn schon, denn schon.

Komme natürlich aus meiner Juristenhaut nicht raus und überlege, ob es einen Sachmangel im Sinne des BGB Gewährleistungsrechts darstellen würde, wenn das Jordanwasser in Wirklichkeit aus der Leitung gezapft wäre.  Lustig finde ich den Hinweis auf dem Flascherl, dass das Wasser "nur zur äußerlichen Anwendung bestimmt" sei. Das mussten sie sicher draufschreiben, weil zu viele Reisegruppen mit Verbindungsstudenten kamen, die alle das Wasserflascherl komplett zweckwidrig weggeext haben.




Bin grad wieder vom Berg der Seligpreisungen zu Fuß runtergehatscht und gehe nun - seit gestern zum 2. Mal - nach Kafarnaum auf dem schönen Pilgerwegerl am Seeufer entlang. Gestern nachmittag hatte die Kirche in Kafarnaum geschlossen, jetzt probier ich's halt wieder. Pilgersturheit. Bin ja nicht zum Spaß hier.

Immer wieder der Wahnsinn, wie deplatziert man sich als verschwitzter Rucksackpilger in seiner Funktionsfaserkonfektion vorkommt zwischen all den Baumwolltouristen. Bestaunt, teilweise höflich ignoriert. Nur wenige erkennen die Jakobsmuschel, die ich um den Hals trage. Ich glaube, mit Burka würde ich kaum mehr auffallen.

2. Versuch, nach Kafarnaum reinzukommen. Es geht los.

Erstes Erlebnis in der Kirche zum Petrushaus: Eine Reiseführerin, die Hintergründe zur Archäologie der Stätte erklären möchte, aber permanent unterbrochen wird von einem deutschen Touristen aus ihrer Gruppe, Mittsechsziger, der ausgiebigst "coreferiert" und immer wieder "Nuggets" aus seinem grenzenlosen angelesenen Wissen zum besten gibt - bis ihm seine Frau einen gar nicht so dezenten Stoß versetzt. Dieser wirkt ca 1 Minute. Danach findet der Tourist mit schlafwandlerischer Sicherheit in seine Rolle als Oberlehrer aus Alemanya zurück und belehrt die Reiseführerin.




Kafarnaum war tatsächlich der Höhepunkt bisher. Es gibt wirklich viel zu sehen: Die Synagoge, wo Jesus gepredigt hat und das Wohnhaus von Petrus, mit aussen rumgebauter frühchristlicher Kirche. Eine sehr unmittelbare Erfahrung der Bibel.

Ich habe vor Kurzem den Reisebericht der unermüdlichen Pilgerin und geweihten Jungfrau Egeria (ca 340) gelesen und stelle einige Parallelen zum heutigen Pilgerbetrieb fest. Egeria hat einen der allerersten Berichte von den heiligen Stätten im Hl. Land und in Ägypten verfasst, noch vor deren Wiederentdeckung durch Kaisermutter Helena und der äußerst gründlichen Zerstörung durch die Perser im 7. Jhd. ->http://wapedia.mobi/de/Egeria_(Jungfrau)

Am meisten war die umtriebige Nonne von der urchristlichen Liturgie der jerusalemer Gemeinde fasziniert, die viele Feiertage kannte und etliche Prozessionen zu den heiligen Stätten. "Herrenbrüder", dh leibliche Verwandte von Jesus, waren noch lange Zeit nach Christi Kreuzestod die Gemeindevorsteher ("Bischöfe") der Jerusalemer Kirche.




Experten haben rekonstruiert, dass das blutgetränkte Schweißtuch Jesu, das Sudarium (es wird heute im spanischen Oviedo verwahrt), das Jesus nach dem Kreuzestod um das Gesicht gebunden worden war, später noch in Gebrauch war, offenbar als rituelle Kopfbedeckung des Vorstehers der Urchristengemeinde, evtl Petrus (siehe das grandiose Buch von Michael Hesemann: Schweißtuch von Oviedo). Forensiker konnten, so Hesemann, sogar die Spuren von Fingerabdrücken rekonstruieren, die eine Person hinterlassen hat, um die Blutung Jesu aus der Nase zu stoppen - höchstwahrscheinlich sind dies die Fingerabdrücke seiner Mutter Maria, die bei der Kreuzabnahme dabei war.  -> http://wapedia.mobi/de/Schweißtuch_von_Oviedo

Ich bin immer wieder überrascht, wie viele biblische Gegenstände und Orte sich nach genauerer Überprüfung als authentisch herausstellen.

Zum Abschluss meiner Galiläa-Reise habe ich auch noch die orthodoxe Kirche von Kafarnaum besucht. Herrlich. Zwiebelturmstil, innen drin alles voller goldener Ikonen und im Hintergrund liefen orthodoxe Mönchsgesänge. Ich habe es immer genossen, orthodoxe Kirchen zu erleben, die einem einen kleinen Eindruck vom Himmel vermitteln.  Hier fühle ich mich wie in Mütterchen Russland. Nur der Wodka fehlt.





Auf geht's mit dem Sherut (Sammeltaxi) nach Tel Aviv. Dort wird übernachtet, dann geht's morgen weiter nach Be'er Sheva und von dort nach Mitzpe Ramon im Negev. Dort hab ich mich eingebucht bei Yoash, einem Experten über den INT, der auch das Hostel "The Green Backpackers" betreibt. Er hat mit versprochen, mir alle Infos über die Strecke zu geben und anhand der Karten eine passende Route zu empfehlen, damit ich rechtzeitig von der Wüste nach Jerusalem komme.

Im Hostel "Gordon Inn" in Tel Aviv komme ich mit einem Israeli-Pärchen in Kontakt, die gerade einen weiteren Teil des INT gegangen sind. Sie finden, dass es absolut machbar ist, den Weg durch den Negev auch allein zu gehen, solang man sich im Voraus bei dem zuständigen freiwilligen Betreuer ("Trail Angel") anmeldet, der einem dann Wasser und zT auch Essensvorräte vorbeibringt. Klingt gut. Ich mache sie im Gegenzug heiß auf den Camino de Santiago, von dem sie noch nie etwas gehört haben.

Tel Aviv ist im alten Zentrum Jaffa (Yafo) übrigens eine wunderschöne Stadt mit mittelalterlichen orientalischen Häusern, engen Gassen und einem Hafen mit Fischerbooten.

1 Kommentar:

  1. > Urlaub im Urlaub und vom Urlaub - quasi.

    Hihi, das kann ich nachvollziehen. Um wirklich abzuschalten kenn ich nix Besseres als Wandern... oder Reiten. Ultreia lieber Christopher!

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